Jamaika: Sonne, weißer Sandstrand, türkisblaues Meer, Palmen, Reggae-Musik, Freiheit, Unbeschwertheit und gute Laune! Sofort denken wir auch an die Rastafaris mit ihren Dreadlocks, die genüsslich Ganja rauchen. Hinter dem Rastafarianismus steckt nicht nur eine positive Lebenseinstellung, sondern ein komplexes Glaubenssystem. Deshalb schauen wir uns die Bewegung der Rastafaris näher an.

Die tiefgründigen Wurzeln der Rastafari-Religion: Mehr als nur Cannabis

Viele Menschen gehen davon aus, dass es bei den Rastafaris nur um Cannabis geht. Doch das Glaubenssystems der Rastas ist wesentlich tiefgründiger und aus dem Christentum entsprungen, wobei es hauptsächlich auf dem Alten Testament beruht. Was einst als kleine Bewegung begann, entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten zu einer Religion mit Anhängern auf der ganzen Welt.

Die Geschichte hinter der Bewegung

Die Geschichte beginnt in den 1920er-Jahren. Der schwarze Aktivist Marcus Mosiah Garvey prophezeite, dass ein schwarzer König in Afrika gekrönte werde und dass dieser der Erlöser sein werde. Dabei ist Garvey eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Rastafari-Bewegung, der in den Armenvierteln von Kingston, der Hauptstadt von Jamaika predigte, dass die schwarze Rasse einst die erste mächtigste Rasse der Welt gewesen sei und eines Tages die Unterdrückung überwinden werde, um dann Gottes auserwähltes Volk zu sein.

Noch im selben Jahr hatte sich in Äthiopien Prinz Ras Tafari krönen lassen und gab sich den Namen „Haile Selassie I.“. Er bezeichnete sich selbst als direkter Nachkomme König Salomons und als „König der Könige, Löwe aus dem Stamm Juda, auserwählter Gottes“. Sein Wunsch war es, die afrikanische Einheit voranzutreiben sowie die Sklaverei abzuschaffen. Mit der Körnung von Selassie sah der Großteil der Rastas die Prophezeiung von Garvey als erfüllt an und hielten ihn für die Inkarnation Gottes.

Gründung der ersten Rastafari-Niederlassung

Leonard Percival Howell war einer der ersten Prediger der Rastafari-Bewegung und wird deshalb häufig als „The First Rasta“ („Der erste Rasta“) bezeichnet. Unter seinem religiösen Namen The Gong oder G. G. Maragh („Gong-Guru“) vertrat er die Meinung, dass sich die in Amerika lebenden Schwarzen auf ihre religiöse Heimat in Afrika besinnen sollten und forderte sie auf, stolz auf ihre Herkunft zu sein.

Im Jahr 1935 gründete Howell die erste Rastafari-Niederlassung „Pinnacle“ in Jamaika, in der die Gemeinde ihre Religion ausleben konnte.

In der Zwischenzeit in Äthiopien

Nachdem der italienische Diktator Benito Mussolini im Jahr 1936 in Äthiopien einfiel, glaubten viele Rastas an den Beginn der Apokalypse und sahen die Invasion als Angriff auf ihr heiliges Land, den Messias und ihren Glauben an. Haile Selassie sah sich in seinem Land nicht mehr willkommen und begab sich nach London in England. Doch er kehrte im Jahr 1941 zurück, nachdem die alliierte Koalition aus den Vereinigten Staaten, Kanada und weiteren Ländern Äthiopien befreite.

Im Jahr 1966 besuchte Selassie Jamaika und die dortigen Rastas nutzten die Gelegenheit, ihren Messias zu treffen. Damit wurde Jamaika ein wichtiger Ort in der Rastafari-Bewegung. Wenige Jahre später musste Selassie nach einem Militärputsch abdanken und verbrachte angeblich ab September 1974 seinen Lebensabend geschwächt und geistig verwirrt unter Hausarrest in einem Seitenflügel des Menelik-Palastes in Addis Abeba (Hauptstadt von Äthiopien).

Nur ein Jahr später verstarb Selassie unter ungeklärten Umständen. Eine Nacht zuvor wurde seinem persönlichen Diener befohlen, in einem Nachbargebäude zu schlafen. Am nächsten Morgen fand er Selassie tot im Bett liegen und nahm den Geruch von Äther wahr. Asfa Wossen Asserate, der Neffe von Selassie, ging davon aus, dass Selassie mit einem Kopfkissen erstickt wurde. Bis heute sind die Umstände um den Tod von Selassie nicht geklärt.

Bob Marley als Botschafter

Der jamaikanische Musiker Bob Marley war der bedeutendste Mitbegründer der Reggae-Musik und identifizierte sich bereits ab den 1960er-Jahren mit den Rastafaris. 1967 konvertierte er vom Christentum zum Rastafarianismus.

In den 1970er-Jahren wurde Marley mit seiner Band „The Wallers“ international bekannt. Bei der Verbreitung der Rastafari-Botschaft spielte der Aktivist eine bedeutende Rolle, was sich auch in seiner Musik widerspiegelt. Hier geht es vorrangig um Liebe, Frieden und Widerstand. In Interviews zitierte Marley auch immer wieder aus dem Alten Testament.

Am 4. November 1980, also acht Monate vor seinem Tod, drängte ihn seine Mutter dazu, sich in Miami in der Kirche der äthiopischen Gemeinde nach christlich-orthodoxem Ritus auf den Namen Berhane Selassie („Licht der Dreifaltigkeit“) taufen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt war Marley bereits schwer an Krebs erkrankt.

Bob Marley verstarb im Alter von 36 Jahren am 11. Mai 1981 in Miami. Beigesetzt wurde er in seinem Heimatdorf Nine Miles auf Jamaika in einem Mausoleum mit seiner roten Gibson-Gitarre, einer Bibel, einem Marihuanazweig sowie einem Ring, den er von Haile Selassie persönlich geschenkt bekam.

Woran glauben Rastafaris?

Es ist nicht ganz so leicht zu erklären, was Rastas glauben, denn die Glaubensinhalte und Traditionen variieren zwischen den unterschiedlichen Rasta-Gruppierungen. Zu den Grundüberzeugungen gehören folgende Ansichten:

  • Bei den Rastas gibt es nur einen wahren Gott, den sie „Jah“ nennen und die Kurzform des hebräischen Gottesnamen JHWH ist.
  • Äthiopien sehen die Rastas als „Ort des ewigen Lebens“ und nennen das Land deshalb auch Zion. Während Zion von Erlösung, Hoffnung und Freiheit geprägt ist, steht dazu im Gegensatz Babylon für Rassismus, Unterdrückung und Böses.
  • Die Natur wurde von Jah erschaffen und ist für die Rastas heilig.
  • Ehe und Familie sowie ein rechtschaffenes Leben sind für Rastas besonders wichtig. Hingegen lehnen sie Materialismus und Gier ab.
  • Rastas glauben an das Leben nach dem Tod und dass die Seele ewig weiterlebt.

Es gibt verschiedene Fraktionen („Mansions“) bei den Rastafaris, wo sich die Ansichten unterscheiden. Zu den wichtigsten Mansions gehören:

Zwölf Stämme Israels: Vernon Carrington gründete diese Rastafari-Gruppe 1968 in Kingston, Jamaika. Hier wird Jesus Christus als Erlöser und Haile Selassie I. als Jesus Christus in seiner königlichen Eigenschaft als Same Davids, der im Geist gerechtfertigt und im Fleisch manifestiert ist, akzeptiert. Gepredigt wird die Liebe zu allen Menschen, wobei sie sich auch zur Erhebung der Schwarzen bekennen, wie es von Garvey vorausgesagt wurde.

Bobo Ashanti: Diese Gruppe wurde 1958 von Emanuel Charles Edwards in Jamaika gegründet. Der Name setzt sich aus „Bobo“ für „schwarz“ und „Ashanti“ aus dem Namen eines Stammes aus Ghana zusammen, dem viele der Sklaven angehörten, die von Afrika nach Jamaika verschleppt wurden. Dementsprechend treten die Bobo Ashanti für die Rückführung aller Schwarzen nach Afrika ein und fordern eine finanzielle Entschädigung der Schwarzen für die Sklaverei. Dabei berufen sie sich auf die Offenbarung 5, um ihren Glauben zu rechtfertigen, und dass Emmanuel die Reinkarnation Christi ist, der wiedergeborene schwarze Christus.

Nyahbinghi: Hierbei handelt es sich um den ältesten aller Rastafari-Mansions, benannt nach Königin Niyabinghi, einer ugandischen Herrscherin aus dem 19. Jahrhundert, die gegen das britische Empire kämpfte. Nyahbinghi hat jedoch keine Verbindung oder Beziehung zur äthiopischen Geschichte oder zu Haile Selassie, sondern ist Teil der Rastafari-Bewegung und eine Manifestation der Weisheit Jahs. Die Niyabinghi gelten als die strengsten Anhänger der Rastafari-Bewegung in Jamaika und predigen die Ideale einer globalen Theokratie, die von Kaiser Haile Selassie I. angeführt werden soll, den sie als den verheißenen Messias und die Inkarnation des Höchsten Jahs verkünden.

Leben nach der Livity

Der Livity ist ein Rasta-Konzept, das die wichtigsten Grundsätze beinhaltet und die Lebensweise der Rastas beschreibt. Es wird nach Liebe und Harmonie mit sich selbst, der Gemeinde sowie der Natur gestrebt. Das bedeutet für Rastas, ein einfaches Leben zu führen und mit der Natur im Einklang zu leben. Um das geistige und körperliche Wohlbefinden zu fördern, setzen die Rastas auf die sogenannte Ital-Ernährung, die sich jedoch von Person zu Person unterscheidet.

Einige Rastas ernähren sich vegetarisch oder vegan, andere beziehen tierische Produkte in ihre Ernährung mit ein. Die Rastafari-Farben der Livity sind weltweit bekannt und repräsentieren einen wichtigen Teil der Rasta-Kultur:

  • Rot steht für das Blut, das im Befreiungskampf vergossen wurde sowie die Lebenskraft.
  • Gold repräsentiert die Sonne über Afrika und den Reichtum des Landes.
  • Grün steht für die Natur, Wachstum und Fruchtbarkeit.

Alles, was Gott geschaffen hat, ist für die Rastas heilig. Das gilt auch für die Haare, weshalb Rastas sich Dreads wachsen lassen. So sollen die Dreadlocks die afrikanischen Wurzeln symbolisieren.

Warum konsumieren Rastas Cannabis?

Es gibt verschiedene Gründe, warum Rastas Cannabis („Ganja“) rauchen. Der Großteil der Rastas sieht Cannabis als Sakrament an. Es soll ihnen helfen, sich gegenüber Gott zu öffnen. Als natürliche Substanz passt Cannabis zudem in das Livity-Konzept.

Cannabis wird häufig bei „Reasonings“ in der Gemeinschaft geraucht, um dann über verschiedene Themen zu diskutieren oder einfach nur um zu philosophieren. Viele Rastas rauchen Cannabis aber auch allein, um beispielsweise besser meditieren zu können.

Fazit zur Rastafari-Bewegung

Der Rastafarianismus ist ein komplexes Glaubenssystem, das in den 1930er-Jahren entstand. Es basiert auf der Verehrung von Haile Selassie I., dem ehemaligen Kaiser von Äthiopien, den die Anhänger als die Reinkarnation von Jesus Christus und als göttlichen Erlöser betrachten. Rastafari hat tiefgehende Verbindungen zur Bibel, insbesondere zum Alten Testament, und legt großen Wert auf das afrikanische Erbe sowie die Rückkehr nach Afrika als das verheißene Land.

Rastas glauben an die Einheit von Gott und Mensch und betonen die Bedeutung von persönlicher und spiritueller Freiheit. Deshalb folgen sie einem natürlichen und bewussten Lebensstil, was sich unter anderem in ihrer Ernährung, ihrer Kleidung und Haarpflege (Dreadlocks) widerspiegelt. Dabei ist die Reggae-Musik, insbesondere die Werke von Bob Marley, eng mit der Rastafari-Bewegung verbunden und dient als wichtiges Mittel zur Verbreitung ihrer Botschaften von Liebe, Gerechtigkeit und Widerstand gegen Unterdrückung. Auch der rituelle Gebrauch von Cannabis (Ganja) ist unter den Rastas weit verbreitet. So gelten Cannabispflanzen als heilig, sie erweitern das Bewusstsein und fördern spirituelle Erkenntnisse.

Hinter der Rastafari-Bewegung stehen also mehr als nur Dreadlocks und Cannabis. Vielmehr ist es eine Lebensweise und eine Bewegung, die gegen soziale Ungerechtigkeit und für die Selbstbestimmung der afrikanischen Diaspora kämpft.